Samstag, 7. Mai 2016

Desire Will Set You Free

Als Yony Leyser seinen ersten Film bei uns in der Filmkunstbar Fitzcarraldo vorstellte, war ich verblüfft, wie jung er noch ist. Ich hätte einen gestandenen Mann erwartet! So gehts mir jetzt wieder, da ich mir seine No-Budget Produktion Desire Will Set You Free ansah. Leyser hat den Film selbst finanziert über eine Crowd-Funding Aktion - vielleicht hat sogar jemand von euch etwas eingezahlt? Herausgekommen ist ein grandioser Berlin Film! Darin wird der junge Drehbuchautor Ezra (Leyser) noch ermahnt von Professor Rosa von Praunheim. Transgender? Nachts durch die Sexclubs tingeln? Das kauft keiner! Ezra machts aber trotzdem zusammen mit seiner furchtbaren Freundin Cat, die sich auf Nazi Fetisch spezialisiert hat. Auf nach Schöneberg in eine Laser Stripper Bar und Cat lässt sich gleich von zwei Gay For Pay Jungs umgarnen! Ezra dagegen lernt den introvertierten Sasha aus Russland kennen. Das Queer Cinema für das grosse Publikum funktioniert im Grunde einfach: Es braucht Identifikationsflächen für Heteros, der Homo muss ein besonders netter Mensch sein. Homonormativ! In Desire Will Set You Free aber gibts echte Queers aus dem Berliner Untergrund. Schön, dass Leyser auch im Kreuzberger Roses filmen durfte oder im Neuköllner Silver Future. Er war im Garten des Friedrichshainer About Blank und natürlich auch vor dem Berghain (dem ehemaligen Ostgut). Ausserdem traf er so viele Promis, dass sein Film zum Aufreisser wird: Peaches, die deutsch singt und Nina Hagen vs. homophobe Obstkuchen. Am eindringlichsten aber sind die natürlich die Statements der authentischen Transmenschen, die in berlinischen Knallfarben gefilmt wurden. Überhaupt sieht man es Desire Will Set You Free nie an, wie wenig er gekostet hat. Die Bilder sind einfach schön wie ein Traum! Leysers Film macht Mut: Hört auf, euch von euch selbst abzulenken und geht dorthin, wo ihr wirklich bei euch selbst seid! Diese Sehnsucht fängt er ein wie lange kein Film mehr und deshalb soll das unser Berliner Film des Jahres sein! (Läuft im Moviemento, Kreuzberg um 20.45 und 23.00, ausserdem im b-ware Ladenkino Friedrichshain um 22.15 (OmU)

Mittwoch, 16. März 2016

Cinema T Louder Than Boms (OV+germ. subt.), Il Kino, Nansenstr. 22 (Neukölln), 16.00 


Es gibt Dinge, die wir fast nie aussprechen: Unsere Sehnsüchte, unsere Enttäuschungen, unsere Trauer. Joachim Triers Louder Than Bombs handelt davon. Der Däne hat sich in Europa einen guten Namen gemacht; Louder Than Bombs ist sein US Debüt. Er zeichnet das Bild einer Familie, die vom Selbstmord der Mutter auseinander getrieben wurde. Gabriel Byrne spielt den Vater, der nun die Entfremdung zu seinen Söhnen überwinden will. Ein Leitmotiv von Louder Than Bombs sind die Geheimnisse, die Menschen auch in intimen Beziehungen bewahren. Gleich anfangs werden wir Zeuge davon: Jonah (Jesse Eisenberg) hält im Krankenhaus ein Baby in die Höhe. Ein vermeintlches Bild von Familien Idylle, denn es gehört seiner Ex-Freundin und später wird Jonah seine Frau darüber belügen. Die Handlung setzt drei Jahre nach dem Selbstmord der Kriegsfotografin Isabelle Reed (Isabelle Huppert) ein. Ihr Mann Gene (Gabriel Byrne) und die Söhne Jonah (Eisenberg) und Conrad (Devin Druid) sind Einzelgänger. Sie bilden keine Gemeinschaft. Nun versucht sich jeder in eine Parallelwelt zu flüchten, ob nun mittels einer Affäre oder durch Videogames. Trier kennt sich mit Krisen, Depressionen und Suchtverhalten, denn daraus formt er seine Filme. Stilistisch möchte ich Trier als Avantgardist bezeichnen (selbst wenn dieses Wort ungeheuer unangenehm klingt!). Bei ihm verschmelzen Wirklichkeit und Fantasie, Gegenwart und Vergangenheit. Zum Glück aber erscheint bei Trier das Artifizielle ganz selbstverständlich und ungekünstelt! Gabriel Byrne als Vater strahlt Warmherzigkeit und Humor aus, ist aber auch ratlos angesichts der Situation. Isabelle Huppert als Mutter tritt in Rückblenden auf und strahlt eine gespenstische Ruhe aus. Jesse Eisenberg wirkt bis zur Hysterie ehrgeizig, während Devin Druid als Aussenseiter abtaucht in seine Fantasiewelten. Nur die neue Freundin des Vaters, Hannah (Amy Ryan) scheint in ihrem Leben da zu stehen, wo sie hin will. Doch im Zweifelsfall wird auch sie zur Lüge greifen...

Dienstag, 15. März 2016

Cinema Today: Die dunkle Seite des Mondes (OV germ. only), Moviemento, Kottbusser Damm 22 (Kreuzberg), 17.15.


Wie funktioniert ein deutscher Genre Film? Indem er es den amerikanischen Vorbildern gleich tut oder sich auf die deutsche Wirklichkeit konzentriert? Die Antwort scheint simpel, obwohl immer wieder neue Erzeugnisse des deutschen Genre Kinos sie nicht verstehen wollen. Wie sonst erklärt sich der Versuch, abendfüllende Tatorts ins Kino zu bringen, die wie ein Hollywood C-Movie daherkommen? Zum Glück ist Stephan Ricks Martin Suter Verfilmung anders. Verankert in der deutschen Wirklichkeit und manchmal überhöht mit mythischen Motiven. Was könnte für dieses Land typischer sein als der Wald als Abbild der Seele? Wir treten ein in die Welt von Urs Blank (Moritz Bleibtreu) und das ist die Welt der Frankfurter Wirtschaft. Urs Blank ist Wirtschaftsanwalt. Seine Wohnung ist steril und seine Ehe repräsentativ. Durch sein geschäftliches Geschick aber erschiesst sich sein Geschäftspartner und Urs Welt zerbricht. Er lernt eine junge Frau Frau (Nora von Waldstätten) kennen, mit der er einen Psilocybin-Trip schmeisst. Er wird sich von diesem Trip nicht mehr erholen und lebt weiter als gespaltene Persönlichkeit. Urs zieht sich in eine Pension im Wald zurück. Schliesslich wählt er einen Wolf zu seinem Totemtier und folgt ihm. Umso tiefer es Urs in den Wald zieht, desto sympathischer wird er wider Erwarten. Ist der unkontrollierte Instinkt zwangsläufig gewalttätig? Schattenzoen und Lichtungen des Waldes werden genauso stilvoll vorgeführt wie die Anspielungen auf das gleichnamige Album von Pink Floyd. Nicht jedem Handlungsschritt konnte ich folgen, dafür freute ich mich über den Auftritt von Jürgen Prochnow als diabolischen Chef. Rund ist dieser Genre Film noch nicht, immerhin aber ballert kein Komissar ausser Dienst mit quäkender Stimme wild um sich.

Montag, 14. März 2016

Cinema Today: Song Of The Sea (german dubbed). Central, Rosenthaler Str. 39, Mitte, 16.30. 


Visuell grandios, nur die Geschichte wirkt etwas flach. Wie in seinem letzten Film widmet sich Tomm Moore einer irischen Kindergeschichte. Song Of The Sea handelt von der Aufgabe eines Jungen, seine kranke Schwester zu heilen. Technisch ist der Film auf höchstem Niveau. Moore verbindet sehr viel mit wenig , denn seine Figuren sprechen im Grunde nur mit dem Körper. Song Of The Sea ist ein stiller Film, wobei mich diese zurückgenommene Erzählweise teilweise sogar langweilte. Manchmal wirkt die Geschichte so als ob sie aus anderen Märchen geborgt wäre. Es besteht eine gewisse Abhängigkeit zwischen Bens Neugier und der Krankheit seiner Schwester. Nach dem mysteriösen Verschwinden der Mutter sorgen beide füreinander, während der Vater verzweifelt vor sich hin murrt. Es interessiert ihn auch nicht als Ben herausfindet, dass die sich Schwester Saoirse in einen Seehund verwandeln kann (so wie die Legenden des Feenvolkes es beschreiben). Die folgenden Abenteuer der Kinder sind vorbestimmt durch eine Prophezeiung. Schliesslich müssen sie gefangene Fabelwesen aus der Gewalt der bösartigen Gottheit Macha befreien. Im kleinen werden einige sehr schöne Ideen vorgeführt. Oft handelt Ben geradezu exzentrisch (ohne dabei das eigene Märchen zu verraten). Leider sind alle seine Schritte vorausschaubar, worunter die Spannung leidet. Song Of The Sea sieht einzigartig aus. Es scheint als sei die zweidimensionale Ästhetik direkt aus alten Zeichnungen übernommen. Oft kommt der Film auch überaus nett und charmant daher. Ich denke, Moore hat das Zeug zu einem noch wirklich grossen Film!

Sonntag, 13. März 2016

Cinema Today: Rams - Sture Böcke (german dubbed), Acud, Veteranenstr. 21, Mitte, 19.00.


Könnte die Geschichte woanders spielen als in diesem Tal Islands hinter einer pittoresken Bergkette? In der Ödnis der Natur leben zwei Brüder mit langen Bärten und verfilzten Wollpullovern. Sie sind Schafzüchter und lieben ihre Tiere. Bei lokalen Wettbewerben gewinnen sie regelmässig Preise. Zu sagen haben sich die Beiden trotz dieser Gemeinsamkeiten nichts. Seit vierzig Jahren reden sie nie, stattdessen lassen sie sich Briefe überbringen. Das Zenario einer typisch nordeuropäischen Komödie? Der Isländer Grimur Hakonarson aber verweigert uns die Lacher. Er will seine Figuren nicht vorführen. Stattdessen widmet er sich Land und Leuten mit zäher Ernsthaftigkeit und das Resultat ist ein sachliches Drama. Wir übernehmen die Perspektive Gummis, denn er ist der ältere Bruder. Eines Tages äussert er den verdacht, ein Schaf seines Bruders Kiddi könnte krank sein. Es kommt zum Bruderstreit, doch auch den verweigert uns der Film. Stattdessen erleben wir eine ganz leise Annäherung... Ein wenig ratlos lässt mich Rams zurück. Warum haben die Brüder überhaupt so lange geschwiegen? Gab es vorher bereits Streit? Ist es einfach ihre Mentalität? Ist es vernünftig, auf Dramaturgie und Erzähllfluss fast gänzlich zu verzichten? Aufgrund dieser Aussparungen aber entwickelt sich etwas anderes beim Sehen: Ich tauche ein in diese karge Welt. Ich bilde mir ein, dass ich die Brüder ein bisschen verstehe.